Gleich zu Beginn des Rund-gangs kommt das kleine Grpp-chen TeilnehmerInnen ins Staunen: Bill teilt einen Plan der Grazer Innenstadt aus, in dem so an die 50 berwachungska-meras eingezeichnet sind. Tja, mensch wei von Kameras, aber so viele, kaum zu glauben! Und das sind freilich nur jene Kameras, die ffentliche Rume berblicken knnen. Sean er-zhlt uns von dem paranoiden Sicherheitswahn, der seit den Anschlgen vom 11. September 2001 zuallererst in Amerika aus-gebrochen ist und den berwa-chungsplnen der US-Regie-rung freie Hand lt. Dabei wird Videoberwachung massiv for-ciert, Gesichtserkennungssoft-ware eingesetzt und werden Modellstdte mit Webcams zu-gepflastert. Sean erzhlt, dass Webcams der neueste Trend in der berwachung sind: Aufnah-men knnen gleich digital wei-terverarbeitet werden und die berwacher berall sitzen, wo schneller Internetzugang ver-fgbar ist. Der Rundgang fhrt uns vom Jakominiplatz in die Herrengas-se, wo selbst die an New Yorker berwachungsverhltnisse ge-whnten Knstler erstaunt wa-ren: Oscar, die lebensgroe Menschenstatue mitten in der Herrengasse, hat eine eigene berwachungskamera! Ein paar Meter entfernt an der Hausmauer montiert, filmt sie ausschlielich Oscar. Wir gehen weiter in die Landhausgasse, wo Sean und Bill vor einer Bank eine kleine Demonstration des-sen zeigen, was das KnsterIn-nekollektiv SCP zu Players macht: Performances vor ber-wachungskameras, die die Hierarchie der berwachung durch Indiskretion desavouie-ren und die Beobachtung auf sich selbst zurckspiegelt, um die konstitutive Dominanz des/ der Beobachters/in ber die Beobachteten zu unterlaufen. Im konkreten Fall, halten Sean und Bill abwechselnd Schilder mit der Aufschrift Was machst du da? und Alles Klar, Herr Kommissar! in einiger Entfer-nung vor die Linse. Leider gibt es hier kaum PassantInnen, die auf die Performance interessiert reagieren. Ein bemerkenswerter Stadtrundgang im Herbst Die Stadtfhrer: Sean und Bill, zwei Mitglieder der Surveillance Camera Players (SCP) aus New York, eingeladen im Rahmen des Steirischen Herbst in einem vom ESC im Labor kuratierten Projekt namens please identify. Die wenige Tage zuvor in Graz eingetroffen anarchistischen Knstler wollen mittels Stadtrundgang Interes-sierten sonst kaum beachtete Sehenswrdigkeiten der Stadt zeigen: berwachungskameras. Ein paar Schritte weiter betre-ten wir in der Raubergasse das Landesmuseum Joanneum, wo Sean und Bill schon Tage zuvor eine Portierloge mit massen-weise berwachungsbildschir-men ausgemacht haben. Sie hatten sich berlegt, uns beim Besuch beim Portier als Grup-pe gesponsert vom Institut fr Innere Sicherheit vorzustellen, und ihn so im Glauben zu las-sen, er wrde wichtigen Besuch bekommen Und tatschlich: mit solch gewichtigen Sponso- ren im Rcken, ist es ein leich-tes den Mann geradezu begeis-tert allen technischen Schnick-schnack der zweifellos sehr modernen Anlage vorfhren zu lassen. Er zeigt uns z.B., wie er mittels Joystick einen Wagen in der Neutorgasse so nahe her-anzoomen kann, bis sein Num-mernschild formatfllend am Bildschirm sichtbar ist. Offen-bar aus Spa holt etwas spter der Portier eine Groaufnahme von uns, wie wir so vor seiner Portierloge stehen, auf seinen berwachungsbildschirm, was Sean auf eine Idee bringt: Er hlt das Schild mit der Aufschrift Alles Klar, Herr Kommissar! klar leserlich ins Bild. Fliegt jetzt unser Schwindel auf? Weit ge-fehlt! Die Reaktion des Portiers: ein freundliches Lcheln ein Scherz unter berwachungs-profis wird wohl noch erlaubt sein... Wir kehren zum Hauptplatz zu-rck. Dort berschaut eine Webcam im Rathaus den Platz ebenso wie die inzwischen wieder montierte berwa-chungskamera an der Ecke Her-rengasse/ Hauptplatz. Die In-stallation dieser Kamera, deren Bilder direkt in die Grazer Bun-despolizeidirektion bertragen werden und die, wie es heit, bei Groveranstaltungen wie Wahlkmpfen zur berwa-chung dient, wurde ja mit ei-nem Gemeinderatsbeschlu von VP, FP und SP von der Stadt Graz finanziert. Die Gr-nen und einige berwachungs-gegnerInnen starteten damals brigens direkte Aktionen ge-gen die Videoberwachung am Hauptplatz. An der Ecke Badergasse/Ad-montergasse, also im Zentrum des halbprivaten Durchgangs beim Kastner&hler, ber-rascht uns Sean mit dem Hin-weis auf eine perfide getarnte Kamera: sie sieht aus wie die Straenlampen gleich daneben, kann nach allen Richtungen schwenken, und nur KennerIn-nen knnen sie als Kamera identifizieren. Bei unserem Weg zurck zeigt uns Bill eine Ka-mera im 4. Stock des ehemali-gen Cafe-Nordstern-Hauses. Er meint, dass ihm niemand sagen konnte, wer diese berwa-chungskamera betreibt, doch ein jngerer Mann aus unserer Gruppe meint, er habe gehrt, dass hier eine FP-Gemeinde-rtin ihre privaten Beobach-tungen anstelle... Endpunkt unserer Stadttour ist die Burg, wo mensch ebenfalls pltzlich Kameras entdeckt, die mensch sonst im Vorbergehen fr etwas gewagte architektoni-sche Elemente gehalten htte. Sean und Bill erklren hier noch einmal ihre Standpunkte und weisen darauf hin, dass sie berwachung generell ableh-nen und die Forderung nach ei-ner berwachungsfreien Gesell-schaft eigentlich etwas selbst-verstndliches sein sollte. In ih-rer Arbeit sehen sie ihre Kritik an berwachung explizit auf die ganze kapitalistische Gesell-schaft bezogen, nicht nur auf einen Teilaspekt wie z.B. Br-gerInnenrechte. Am Ende des Rundgangs sind sich die meisten TeilnehmerIn-nen einig: Engagierte Leute, die gegen die Videoberwachung kmpfen, sind auch in Graz dringend ntig. Peter Silie berwachungskameras in der Grazer Innenstadt (Ausschnitt) Eine aktualisierte bzw. vervollstndigte Karte von berwachungskameras in Graz kann mensch sich beim Infoladen Bewegungsmelder besorgen. Der Infoladen ist in der Jakominstrasse 32 und Mittwoch, Freitag und Samstag von 15 bis 18 Uhr geffnet. Hinweise auf noch nicht eingezeichnete Kameras werden gerne entgegegenommen. Gewitter: Zeitung der Fakulttsvertretung Geisteswissenschaften GEWITTER 4/2002 Dezember 2002


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